Wolfram Karl Richard Beck

*30. April 1930 †10. Januar 2004

Wolfram Karl Richard Beck wird am 30. April 1930 als Sohn eines Kaufmanns und einer Meisterin und Dozentin für Kunststickerei in Greiz, Thüringen, geboren. Die Mutter ist eine musisch äußerst begabte, herrische Frau, der Sohn ist eher ruhig und sensibel. Sie hat keine Geduld, banale Arbeiten wie Kochen zu verrichten. Das hielte sie auf und ab von der Musik oder der Kunststickerei. Im Ergebnis lässt sie jedes Essen anbrennen. Wolfram zwingt sich jeden Mittag das Essen mit zugehaltener Nase herunter – auch wenn er mit dieser die Mutter missachtenden Geste hysterische Szenen provoziert. Seitdem hasst er Angebranntes. Vor der hysterischen Mutter flüchtet das Kind in die Schürze der warmherzigen Großmutter und an den thüringischen Herd. Die ersten Lebensjahre im ländlichen Raum in einer vom Fabrikanten errichteten Arbeitersiedlung bleiben ihm als warm, sonnig und kindgerecht in Erinnerung. 

Jugend

Mit der Karriere des Vaters siedelt man um in die prachtvolle Fabrikantenvilla im Papiermühlenweg. Fortan lebt die Familie in einer mondänen, großzügigen Gründerzeitwohnung über zwei Etagen. Vor deren Fenstern liegt den bürgerlichen Becks ganz Greiz mitsamt der Schlösser der Reußen zu Füßen. Die Mutter geht auf im Glanz der für Greiz typischen Eleganz wertvoller Textilien, die dort für die gesamte feine Welt produziert werden. Für Wolfram bedeutet der Aufstieg der Eltern täglich lange Fußmärsche ins humanistische Gymnasium zu verhassten Lehrern und den Verlust der Zufluchtsmöglichkeit zur Großmutter. 

Mit Einsatzbefehl des Vaters schließlich fehlt der letzte Erwachsene, der sich zwischen ihn und die Mutter stellen könnte. 

Die Gymnasialzeit empfindet er als mühsam. Anstatt engagierter Lehrer lässt man traumatisierte sogenannte Kriegsversehrte auf die Kinder los, der tägliche Fußmarsch ist lang, der 10 Jahre jüngere Bruder muss versorgt werden, die Versorgung wird immer knapper, die Winter kälter. Wolfram findet, man solle doch mal etwas Sinnvolles mit dem Erlernten anfangen dürfen. Seine Versuchsanordnung mit Schwarzpulver und Schirmständern, die zum Bruch aller Fenster des ehrwürdigen Gymnasiums führen, können nur dank eines zufälligen Fronturlaubs des Vaters zu einem Chemie-Experiment umgedeutet werden und ihn vor dem Schulverweis retten.

Wolfram muss Geige spielen. Beim Üben versetzt ihm seine stickende Mutter bei jeder falschen Note mit der Sticknadel einen Stich. Er hasst die Geige, den Klang des Instrumentes. Er hätte lieber Klavier gespielt, aber für Kammermusik fehlt in der Familie die Geige, das Klavier war bereits durch die Mutter besetzt. 

Vor seiner Einberufung als Kanonenfutter muss er eine kurze Zeit als Pimpf an „gruppendynamischen“ Übungen teilnehmen. Aus diese Zeit erinnert er vor allem, dass die alberne Uniform fürchterlich auf der Haut kratzt und er die paramilitärischen Übungen und das Getue des gruppenführenden Sportlehrers bestenfalls als grotesk empfindet. Eines Tages, als der Sportlehrer eine Reckübung anordnet, tritt Wolfram vor die Gruppe und fordert den Lehrer auf, die Übung vorzumachen. Der Lehrer befiehlt als Antwort den übrigen Schülern, einen der massiven Geräteholmen zu holen, mit dem er dann den jungen Wolfram vor den Augen der Anderen verprügelt. Seine Wut reagiert er später an einem Jägerzaun des Nachbarn ab, den er mit einer gefundenen Axt kurz und klein hackt. Diesmal bleibt er unentdeckt.

Heute, beim Blick aus der Wohnung herunter auf Greiz, kann man nachempfinden, dass Wolfram Beck es gewohnt war, weit zu denken und zu sehen. 

Als 14-Jähriger wird er zur Fliegerabwehr einberufen. Die kurze Zeit, bevor ihm eine Granate eine Wunde ins Bein reißt, erinnert er als halb aufregend, halb tragisch. Natürlich üben die Flugzeuge und die Atmosphäre eine Faszination auf den großen Jungen aus. Aber Deutschland befindet sich schon in den letzten verzweifelten Gefechten. Oft erzählt er von den älteren Soldaten, die auf die Gefahr einer sehr hohen militärrechtlichen Strafe ihre Armeestiefel auszogen, um beim Bestücken der Flugzeuge mit Munition im Regen nicht auf den Ledersohlen auszurutschen. Auch erzählt er oft von verzweifelten Soldaten, die trotz Alarm mit ihren Maschinen nicht aufsteigen konnten, weil die Versorgung ausgeblieben war. Es hallte ihm im Kopf nach, wie diese Männer angesichts der herannahenden feindlichen Maschinen riefen: „Kerosin, uns fehlt Kerosin!“ Aber nicht erst diese Kriegserinnerungen pflanzen in ihm eine unbändige Abscheu gegen jegliche Vorschriften gedankenloser Autoritäten ein. Jegliche Gruppenbildung ist ihm schon aus Schulzeiten zutiefst zuwider.

Als der junge Wolfram mit zerschmettertem Bein ins Lazarett eingeliefert wird, lachen die älteren Soldaten aus ihren Betten. Nun würden die Wanzen zu ihm, dem Jungen, gehen. Und tatsächlich beobachtet er schon in der ersten Nacht, wie sich sämtliches Getier an der Zimmerdecke sammelt und sich genau oberhalb seines Gipses, der von den Knöcheln bis zum Brustkorb verläuft, fallen lässt. Am folgenden Tag lässt er sich von der Krankenschwester einen sehr langen Draht geben, um sich unter dem Gips an den Bissstellen blutig kratzen zu können. Dieser Kriegsverletzung verdankt er das Überleben, unbeweglich als Kind zwischen sterbenden und schreienden Erwachsenen. Immer wieder erzählt er später von der Absurdität, dass 14-Jährige zwar für Kanonenfutter als alt genug befunden wurden, es diesen jungen Soldaten jedoch nicht erlaubt war, einen nicht „jugendfreien“ Marika-Rökk-Film zu sehen. 

Beck ist Pazifist. Er hatte in die Fratze des Krieges gesehen. Aber anders als bei vielen Künstlern nach dem ersten Weltkrieg sind es nicht der Schrei sterbender Freunde im Schützengraben, das offene Fleisch, der Verwesungsgeruch, die ihn traumatisieren. Es ist der Ekel davor, was eitle und dumme Menschen, die Macht erhalten, anzetteln und damit Grausamkeit und Leid anrichten. 

Sein Vater kommt nicht zurück. Er stirbt irgendwo im Feld – vermisst nennt man diesen Zustand. Vom Trauma dieses Verlustes kann sich Beck zeitlebens nicht lösen. Das Thema Tod mäandert durch sein gesamtes Leben und Werk. Der Versuch, sich dem Trauma künstlerisch zu nähern und das für die Kulturgeschichte große Thema Tod für sich zu adaptieren, gelingt künstlerisch genial, nicht jedoch für ihn als Mensch. Der Schmerz, dass sein Vater kein Grab erhielt, ist für ihn nicht auflösbar. Er führt im hohen Alter in eine monotone Verstummung. „Smalltalk“ mit Fremden, der ihm ohnehin immer schwer fällt, mündet in die einzige Frage „Wo liegen Ihre Eltern?“ und anschließendem Blick nach innen, ohne die Antwort abzuwarten (Oft missverstanden bedeutete diese Frage: „Wo wurden Ihre Eltern begraben?“).


Ausbildung

Wolfram Beck entscheidet sich für die Kunst, der eine Drechslerlehre vorangeht. Sein Gesellenstück, ein Spinnrad, widmet er seiner Mutter, mit der ihn sein Leben lang eine ungelöste Hassliebe verbindet und die es unbedacht weggibt. 1948 läuft er nachts über die „grüne Grenze“ in den Westen, um eine Lehre beim Bauhausschüler Wilhelm Löber als Holzbildhauer in der Rhön zu beginnen. 

In der Zeche Fritz-Heinrich in Essen, aber auch im Hamburger Freihafen schaffte er in Nacht- oder Frühschichten, um Geld und Zeit für die Abendschule und das Spätabitur zu haben. Die „Große Gesundheitsausstellung Köln“ bietet ihm im Jahr 1951 die Möglichkeit der plastischen Gestaltung einiger Exponate, insbesondere der kompletten anatomischen Darstellung aller Gefäße des Menschen. Aus der Kölner Zeit verbindet ihn bis zu dessen Tod eine tiefe Freundschaft zum Bildhauer Günther Lossow. 


Dank Spätabitur kann er sich 1955 an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste Berlin (ab 1975 HdK Berlin) einschreiben, wo er bis 1960 ein Studium der Bildenden Künste absolviert. Professor im Fachbereich Holz und Stein ist Paul Dierkes. Beck beendet das Studium als Meisterschüler. Aus dieser Zeit stammt ein umfangreiches Werk von Holzskulpturen, deren Motive er zeitlebens immer wieder variiert und in unterschiedlichen Materialien aufgreift. 

Seinen Lebensunterhalt bestreitet er durch Auftragsarbeiten für Grabplatten. Im Vordergrund steht hier die Gestaltung von Schrift und Geschriebenem. Es ist nach intensiver Beschäftigung mit dem Gesamtwerk davon auszugehen, dass die Gestaltung sich nicht auf das Bildhauerische beschränkt, sondern auch die Auswahl der Worte und Bibelzitate zum Andenken an den Verstorbenen umfasst. Zusätzlich arbeitet er während der Studienzeit in Berlin nachts bei LOTTO. Dort lernt er seine besten Freunde kennen, Architekten, Maler, Journalisten, Ingenieure… Sie begleiten ihn, bald in ganz Europa verteilt, sein Leben lang. 

Wie die meisten Zimmerer oder Steinsetzer ist auch Beck körperlich stark und wirkt auch so. In seiner Gegenwart fühlt man sich sicher, auch weil er in entscheidenden Momenten einen ganz klaren Kopf behält und die Führung übernimmt. Man mag ihn, reicht ihn herum. Den abgewetzten Kragen des einzigen guten Hemdes versteckt er mit einem Seidenschal. Der lässt ihn weltmännisch und wohlhabend wirken. Es hilft in den Kreisen seiner Auftraggeber. 

Berlin Grunewald

Aus seiner Atelierwohnung am Bundesplatz zieht er um in das Atelierhaus in der Hagenstraße im Grunewald. Die Hagenstraße bietet alles, unten einen großen Atelierraum mit Kanonenofen und darüber einen hohen Turm mit einem Giebelraum und herrlichem Blick. Er schläft auf einem Feldbett. Eine Kammer, eine schwarze Katze, die dann der Nachbar vergiftet und die auf seiner Schulter verstirbt. Es gibt Fotos aus der Zeit und von den Frauen, die er geliebt und porträtiert hat. Sie sind alle mit ihm befreundet geblieben. Wenn man ihn morgens besucht, wird man mit lauter Marschmusik und einer Flasche Wodka empfangen. Wolfram ist mit seinen Freunden immer sehr humorvoll, sprühend vor Begeisterungsfähigkeit und gesellig. Seine Depressionen merkt man ihm nicht an. 

Aus dieser Zeit stammt auch der Auftrag für die „Goldene Kamera“, die er für den Axel Springer Verlag als Fernsehpreis erschafft. Als Lohn hat er die Wahl zwischen Geld oder einem Porsche. Er muss das Geld nehmen, ist aber später der Meinung, mit dem Porsche vorzufahren, hätte ihm mehr gebracht.

Familie

1965 heiratet er die Industriellentochter und Schauspielerin Barbara Wendt. Wolfram gilt in seiner Jugend als Asthmatiker und trägt immer ein Spray bei sich. Seit er Barbara kennt, muss er es nie wieder benutzen. Er wollte nicht heiraten. Heiraten assoziiert er mit Rücksichtnahme, keineswegs mit Verzicht sondern mit großer Verantwortung. Nicht dass er die Verantwortung abgelehnt hätte, er kennt sich zu gut, um nicht zu wissen, dass er eher zu viel Verantwortung übernehmen würde. 1966 wird die Tochter Karoline geboren, 1968 der Sohn Arnold. Den Sommer verbringt man mit Freunden in Schweden.

Dank der Unterstützung seines Schwiegervaters kann er sich nun um sein künstlerisches Schaffen kümmern, ohne regelmäßig mit Existenzsorgen zu hadern. Über seine Kontakte in die Berliner Verlagsszene erhält er Aufträge für Portraitbüsten und Auftragsarbeiten, unter anderem für Eduard Rhein und dessen gleichnamige Stiftung sowie Aufträge im Rahmen des Programms Kunst-am-Bau, für das Jubiläum der Terrasit Industrie, für die Bank für Handel und Industrie (BHI), den schwedischen Konzern Slip Naxos und andere. 

Wolfram ist glühender Feminist und darin seiner Zeit voraus. Er findet Männer, die Frauen kleinhalten wollen, unerträglich. Regelmäßig springt er laut schimpfend vor dem Fernseher auf, wenn Männer Frauen unterbrechen. Dass Männer sich grundsätzlich überlegen fühlten und das spüren lassen, macht ihn unendlich wütend. Es ärgert ihn auch, dass diese Männer ihn daran hindern, Frauen ungestört bei dem, was diese zu sagen haben, zuhören zu können.

Es ist zu dieser Zeit bei Berlinern und Hamburgern in Mode, alte Heidehöfe zu kaufen und zu restaurieren. Viele Künstler zieht es in dieser Zeit nach Niedersachsen. Wolfram und Barbara finden ein altes Schulhaus in einer 100-Seelengemeinde in der Nähe von Soderstorf. Die ländliche und beschauliche Zeit, die überschattet wird von der epileptischen Erkrankung des kleinen Sohnes, endete 1971 mit dem Tod des Schwiegervaters. Barbara will zurück nach Berlin, um sich um die Nachlassangelegenheiten zu kümmern. Man zieht an den Hundekehlesee. Beck kann nun ein finanziell sicheres, künstlerisch sehr kreatives Leben inmitten der Großstadt, die kulturell immens viel zu bieten hat, leben, inmitten seiner besten Freunde, und er pflegt diese Freundschaften sehr.

Beck fasziniert die schnörkellose Eleganz von funktionellem Design. Darunter fällt für den Pazifisten auch die Funktionsweise von Waffen – für ihn kein Widerspruch. Die Ästhetik sowohl von kinetischer Mechanik, als auch sichtbar gemachte Biomechanik fasziniert ihn. Die Form, die der Funktion folgt, reicht für ihn zur Kunst.

In Berlin ist er von der DDR umschlossen. Die Logik des DDR-Regimes, deren Bildsprache und die Lächerlichkeit des Führungspersonals erinnert ihn an den Missbrauch an der eigenen Bevölkerung, so wie er es damals als Kind erlebt hatte. Als jemand, der sehr frühzeitig, schon lange vor dem Mauerbau gemerkt hatte, dass er in einem solchen System unmöglich leben könnte und gegangen war, leidet er sehr darunter, dass sein Bruder und dessen Familie und auch die Menschen seiner Heimat in der DDR eingeschlossen leben und sich dem albernen Staatszeremoniell unterwerfen müssen. Sein großer Traum, den er sich immer wieder ausmalt, ist in einem unzerstörbaren, rosafarbenen Panzer, aus dem unablässig ein lautes Lachen schallt, unter den Augen der Grenzsoldaten und des DDR-Regimes die Mauer platt zu fahren und die grausame tödliche Grenze und den gesamten Staat lächerlich zu machen.

Wenn er sich auch seinen thüringischen Dialekt komplett abgewöhnt hat, so dass auch ein geschultes Ohr nicht mehr hören kann, wo er ursprünglich herkommt, hat ihn Thüringen sehr geprägt. Er doziert gern über den Geschmack von Wurst, legt auf die Qualität von Klößen großen Wert und kann über deren richtiges Erwärmen streitlustig werden. Er ist sehr gastfreundlich und warmherzig. Mit der Berliner Schnauze kommt er nicht zurecht. Er versteht den Witz nicht und fühlt sich oft angegriffen. Er selbst kann witzig sein, aber selten ironisch oder gar sarkastisch. Das viel zu schnelle, angriffslustig formulierte, aber nicht böse Gemeinte des Berliners empfindet er als verletzend. Dennoch gibt es zu Berlin als Lebensmittelpunkt zumindest in Deutschland keine Alternative.

Außerhalb Deutschlands ist es bis 2001 Tourrettes sur Loup in der Provence. Er hatte schon vor und zu Beginn seiner Ehe mit Barbara für sich selbst und seinen zukünftigen Schwiegervater viele Sehnsuchtsorte in Frankreich, Spanien und auf den Kanaren erkundet, auch um den Schwiegervater zu beraten. 

Seine Wahl fällt auf die Provence. Die Region und das Licht, die so viele bedeutende Künstler zu ihrer Wirkungsstätte auserwählt hatten, ziehen auch ihn magisch an.

Schicksalsschlag

1981 stirbt der Sohn Arnold 13-jährig bei einem Verkehrsunfall. Dieses Ereignis stürzt Wolfram Beck in eine tiefe Sinnkrise, aus der er nie vollständig wieder heraustreten soll. So kann er die Gedichte, die er seit 1951 schreibt und in denen es im Wesentlichen um die Verarbeitung des Verlusts seines Vaters im 2. Weltkrieg geht, nicht mehr beenden. Neben dem Verlust, den zu begreifen er unermüdlich gestalterisch sucht, ohne sich ihm nähern zu können, verzweifelt er vor allem an der Brutalität, der Sinnlosigkeit des Krieges, der Grausamkeit des Sterbens im Schützen- oder Straßengraben, die an die Traumata der überlebenden Künstler des ersten Weltkriegs erinnert.

Kirche und Religion sind für ihn kunsthistorisch prägnant, allein schon deswegen, weil Religion den historisch größten Teil relevanter Kunst ermöglicht hat und selbst zu einem zentralen Motiv von Kunst geworden war. Menschen, die demütig im Dienste der Religion stehen, achtet er. Er hält sie für gebildeter als sich selbst und beneidet sie um ihre scheinbare Erkenntnis. Ihm dagegen sei die Gnade des Glaubens nicht zuteil geworden. Er ist gezwungen, sich Erlösung außerhalb der Kirche zu suchen. Wieder sind es autoritäre Machtstrukturen wie die in der katholischen Kirche, die ihm keine Wahl lassen, als zum frühestmöglichen Zeitpunkt aus der Kirche auszutreten. Es bleibt zeitlebens eine traurige Skepsis. Religiöse Motive finden sich in seinen Arbeiten, weil er durch die Beschäftigung mit diesen Antworten erhofft, die er aber nicht erhält. Er will den Tod als Erlösung verstehen, kann sich aber mit den persönlichen Verlusten nicht versöhnen. 


Zeitlebens lässt Beck sich nicht durch einen Galeristen vertreten. Das hätte nicht funktioniert. Der kleinste Versuch, Becks Schaffen in eine Richtung oder gar Mode zu drängen, ihm einen Rat zu erteilen, was er verstärken oder zurücknehmen sollte, hätte sofort zu einem Bruch geführt. 

Wolfram Beck ist ein Suchender, er ist unsicher. Zwar ist er sich in dem, was er erschafft sicher, aber er fragt sich, ob es reicht und ob sein Tun sinnhaft ist. Er hadert mit dem Sinn des Lebens, dem Sinn des Schmerzes, der Mühe, der Existenz und dem Schmerz der Verantwortung, der man nicht gerecht werden kann. Er sucht Bestätigung, nicht aus Eitelkeit, sondern weil er nicht missfallen will, nicht stören, nicht belästigen. Die komfortable Situation, finanziell von seiner Frau unterstützt zu werden, bewahrt ihn vor jeglichem Konflikt mit der Kunstwelt. Zugleich leidet er unter mangelnder Bestätigung von außen. Sein Selbstwertgefühl leidet unter den fehlenden Antworten auf seiner Suche. Er zieht sich immer mehr zurück in sein Atelier. Es wird ihm immer schwieriger, normale Kontakte aufrecht zu halten.

Dennoch ist eine künstlerische Zusammenarbeit mit anderen möglich. Diese basiert jedoch immer auf einer gegenseitigen größtmöglichen Hochachtung, die geradezu in einer bilateralen Unterwürfigkeit mündet, die von außen kompliziert wirkt, aber anrührend zu beobachten ist. So ist es dem Komponisten, Dirigenten und Regisseur Hugo Käch und dem Steinmetz Johann Tillmann Billen zu verdanken, dass Skizzen, Ideen und Modelle tatsächlich in Metall und in Stein umgesetzt werden. 1982 experimentiert er in Zusammenarbeit mit Dirigent Hugo Käch und den Berliner Philharmonikern im Rahmen der Strawinsky-Tage, um Musik zu verbildlichen und Skulpturen zu vertonen. 

Die letzten Jahre

Die letzten 20 Jahre lebt und arbeitet Wolfram Beck in dem von Louis Tuaillon geschaffenen Atelierhaus in Berlin. Aus dieser Zeit, während er sich immer mehr von seinem Umfeld zurückzieht, entsteht eine große Anzahl Modelle für spätere Bronze- oder Steinarbeiten. Auch einige Holz- und Gips-Arbeiten aus dem Frühwerk werden in Zusammenarbeit mit mehreren Bronzegießern mit unterschiedlichen Oberflächenstrukturen in Bronze hergestellt.

Beck hat Zwänge, schließt und öffnet die Tür mehrfach, um sicher zu gehen, dass sie auch wirklich abgeschlossen ist. Er gibt höchst ungern die Hand, weil er sie sich danach eigentlich sofort waschen möchte. Er desinfiziert Stühle und Schuhsohlen. Er hat für jeden Raum ein separates Paar Hausschuhe. Seine Hände reißen auf, an den Fingerkuppen klaffen tiefe Spalten, die jeden Handgriff und jede Berührung schmerzhaft machen. Ein Handwerker, dessen Handwerkszeug sich zu verweigern droht. Er ist perfektionistisch im Handwerklichen. Die Bilderrahmen fertigt er oft selbst an. Sein handwerkliches Können kommt dem Ausdruck der Werke zugute. Die Werke wirken mitunter elegant. Die Perfektion ermöglicht eine besondere Reinheit der Farbaufträge und die häufig großflächige Verwendung von Echtgold und Echtsilber. 

Beck arbeitet immer äußerst diszipliniert. Der Arbeitstag beginnt um 9 Uhr im Atelier und endet abends. Dem Abendessen folgen Stunden am Schreibtisch mit Büchern, vornehmlich Sachliteratur über Geschichte, Literatur, Architektur und Quellenstudien. Die 4000 Bände umfassende Bibliothek des Nachlasses weist unzählige Unterstreichungen, Randnotizen und Verweise auf. 

Ständig kommen unangemeldet Freunde zu Besuch. Das Haus des Misanthropen ist oft voll. Am Abend biegen sich die Tische unter den herangezogenen Büchern, aus denen gegenseitig zitiert wird, und Wodkagläsern. Bleibt man nicht zuhause, geht man Essen, Becks Leidenschaft. Er ist weder Gourmet noch Gourmand. Mal raus zu kommen und unprätentiöse Kellner in ein Gespräch zu verwickeln, das ist das, was ihm guttut. Ihn interessiert, wo sie ursprünglich herkommen. Private kleine Geschichten. Er ist großzügig. Er würde niemals eine Bitte nach Unterstützung ausschlagen. Er hat erlebt, wie man ihm in der Not aus Kleingeistigkeit Hilfe verweigert hat. 

Wolfram Beck ist zeitlebens depressiv. In den letzten Jahren jedoch gesellt sich Jähzorn zu seinen Depressionen. Wirtschaftlich ohne Existenzsorgen verliert er nach und nach den Kontakt zur Welt außerhalb seines Mikrokosmos, was ihm jegliche Chance auf eine Messbarkeit seines Schaffens verwehrt und Selbstzweifel noch verstärkt. Sein Freundeskreis bekommt hiervon wenig mit. Sein Charisma, seine Warmherzigkeit, seine zuvorkommende Art, sein Humor und seine Fürsorge gegenüber seinen Freunden lassen wenig von seinen Aggressionen ahnen. Er ist hochsensibel. Theaterbesuche, die er früher so gemocht hat, werden zunehmend unerträglich, weil er jegliche Bewegungsgeräusche anderer Zuschauer als schmerzhafte Störung empfindet und sie nicht überhören kann. Ein solcher Abend endet immer öfter in einem Fiasko.

Seine Krebsdiagnose nimmt er skeptisch, aber sanftmütig an, will niemandem zur Last fallen. Er arbeitet ohne Unterbrechung weiter, zeichnet, solange er einen Stift halten kann. 

Wolfram Beck verstirbt am 10. Januar 2004 zuhause in Berlin. Wie immer in seinem ganzen Leben ist auch im Sterben das Haus voller spontan vorbei gekommener Freunde, die seine Gegenwart suchen. 

Er verabschiedet sich mit dem Wunsch nach Stift und Papier und schreibt

>>>> Ich danke Euch Allen 5.1.2004 WOLFRAM <<<<

Ausstellungen (Auswahl)

1961

„Berliner Künstler stellen aus“, Verlagshaus Axel Springer, Berlin (Mädchenakt)

1962

Berliner Künstler, Bauzentrum Essen, Essen (Torso)

1964 

„Große Berliner Kunstausstellung“, Berlin

1964

„Zeitgenössisches Schaffen Berliner Maler und Bildhauer“, Theater der Stadt Lünen, Lünen

1974

Gemeinsame Ausstellung mit Hans Heidenreich, Galerie an der Hundekehle, Berlin

1982

Experimentelle Zusammenarbeit mit Dirigent Hugo Käch und den Berliner Philharmonikern im Rahmen der Strawinski-Tage, Berlin

1990

Grafisches und Plastisches Werk, Atelier Louis Tuaillon, Berlin

1992

Gesamtschau und Grafiken, Atelier Louis Tuaillon, Berlin

1997

Arbeiten von 1992-1997, neue Arbeiten in Acrylglas, Atelier Louis Tuaillon, Berlin

2000

Retrospektive Werkschau, Atelier Louis Tuaillon, Berlin

2005

Posthum zum 75. Geburtstag , Retrospektive Werkschau, Atelier Louis Tuaillon, Berlin